Alex Biryomumeisho

Alex Biryomumeisho… macht als einziger Yoga-Lehrer Kabales nicht nur im herabschauenden Hund eine gute Figur.


Jeder, der beabsichtigt, eine Yoga-Stunde zu besuchen, würde wahrscheinlich Folgendes erwarten: gedimmtes, gemütliches Licht, ein farbpsychologisch sensibel gestalteter Raum, am besten in Pastellfarben, dazu leise, entspannte Musik. Wer eine Yoga-Stunde im südugandischen Kabale besucht, erhält stattdessen Folgendes: helles Neonlicht in einem eigentlich vollgestellten Abstellraum, alte, nach Schweißfüßen riechende Yoga-Matten, die dem Mantra „tief einatmen“ eine völlig neue Bedeutung geben, dazu ein ohrenbetäubender Generator direkt neben der Eingangstür, weil wieder einmal der Strom ausgefallen ist.

Zugegeben: Nach vielen Wochen des Reisens hätte man wissen können, wie stark westlich die eigenen Erwartungen geprägt sind. Nun geht es bei Yoga ja auch eigentlich darum, zu meditieren, sich zu konzentrieren, die eigene, innere Ruhe zu finden – unabhängig von der Umgebung oder äußeren Einflüssen. Wo, wenn nicht hier sollte man dies also besser üben können?

Zumal eine Erwartung schließlich doch noch erfüllt wird: die des breiten, wissenden Lächelns des Yoga-Lehrers. Das gehört Alex Biryomumeisho, der erst seit zwei Wochen seine eigene Yoga-Klasse unterrichtet. Ein ganzes Jahr bereitete er sich darauf vor, beobachtete seine Vorgängerin Amanda aus den USA genau. Sie war es, die die Idee vor zwei Jahren im Rahmen ihrer Freiwilligentätigkeit nach Kabale brachte. „Am Anfang dachte ich, Yoga sei ein europäisches Ding und wollte nichts damit zu tun haben“, erinnert sich Alex. Doch eine ausgekugelte Schulter bringt ihn schließlich dazu, sein Urteil noch einmal zu überdenken: „Ich fand heraus, dass Yoga nicht so fordernd wie andere Sportarten ist, weil man einfach aufhört oder seine Position ändert, wenn man Schmerzen spürt. Das war ein Segen für meine Schulter“, sagt er. Zwei Mal pro Woche besucht er anschließend die Kurse, über ein Jahr lang. Auch, obwohl seine Schulter inzwischen schon längst verheilt ist.

Vor einem Jahr hören er und Amanda, dass in Kenia das erste Yoga-Camp in Afrika stattfinden soll. „Die Teilnahmegebühr lag bei 250 Dollar pro Person. So viel Geld hatten wir nicht“, sagt Alex. Die Not macht die beiden erfinderisch: Sie starten eine Spendenaktion über Facebook und erhalten in nur einigen Wochen viel mehr Geld, als sie eigentlich benötigen. Dann fahren sie zusammen für drei Wochen in das Trainingscamp nach Kenia: „Das war eine unglaubliche Erfahrung für mich. Da waren Leute aus der ganzen Welt, jeden Tag haben wir zusammen Yoga praktiziert. Ich habe völlig neue Stellungen und Abfolgen gelernt“, erzählt Alex euphorisch.

Yoga verändert, wie man sich selbst und andere betrachtet.

An möglichst viele weitergeben, was er geschenkt bekommen hat – das treibt Alex seitdem an. „Yoga verändert, wie man sich selbst und andere betrachtet. Und öffnet einen für neue Perspektiven“, sagt er und nennt zwei Beispiele: „Im herabschauenden Hund blickt man auf die Welt von oben herab, verkehrt herum. Das ist eine ganz andere Perspektive auf das Leben, deshalb mag ich die Übung sehr. In den kraftvollen Kriegerpositionen hingegen sieht man die Welt mit erhobenem Haupt stolz an, man schaut dem Leben quasi direkt in die Augen.“

Auch bei seinen Kursteilnehmern könne er bereits sehen, wie Yoga sie verändert habe. „Ich merke, dass einige geduldiger geworden sind, aber auch reflektierter. Und natürlich sind alle körperlich stärker geworden“, sagt Alex. Einige seiner Schüler sind Bauern aus der Umgebung und arbeiten täglich unter körperlich harten Bedingungen; der Rest der Gruppe ist ein Mix aus Interessierten: vom Hotelmanager über den Bodaboda-Fahrer bis zum Studenten. „Die meisten von ihnen haben Rückenprobleme, aber wissen nicht, was sie dagegen tun sollen. Regelmäßig Sport zu treiben ist in Uganda noch unpopulär“, sagt er. In größeren Städten wie Kampala ändert sich die Situation bereits, Fitness- und Yoga-Studios werden immer häufiger eröffnet. In Kabale ist Alex Kurs hingegen noch der einzige.

Um dies langfristig zu ändern, führt Alex zwei Mal pro Woche die kostenlose Yoga-Stunde von Amanda, die inzwischen in ihre Heimat zurückgekehrt ist, weiter. Zusätzlich unterrichtet er zwei Gruppen in der Schule, an der er als Lehrer Englisch und Sozialwissenschaften unterrichtet. „Dort leite ich zum einen Schüler an, die ganz begeistert waren, Yoga zu lernen. Deutlich skeptischer waren am Anfang meine Kollegen, wobei viele von ihnen inzwischen die Vorteile und positiven Auswirkungen von Yoga erkannt haben“, sagt Alex. Der zweifache Familienvater plant, seine Kurse auch in Krankenhäusern und Gefängnissen anzubieten. „Ich merke einfach, wie viele Menschen auf der Suche nach etwas sind, das ihnen im Leben fehlt“, sagt er schulterzuckend.

Die Stunde ist um, der Generator vergessen, jeder Muskel am Körper genussvoll gedehnt. Alex packt die Matten zusammen, macht Druck, sich zu beeilen. „Ich muss zu meiner Familie – meine Frau, meine Tochter und mein Sohn warten schon auf mich“, erklärt er sich. Denn zwei Mal pro Woche versammelt sich die Familie abends im Wohnzimmer. Was sie dort gemeinsam vorhaben? Alex grinst breit: „Natürlich Yoga!“


15. Dezember 2015

 


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