Mustafa Hassanali

Mustafa Hassanali

entwirft als bekanntester Modedesigner Tansanias Braut- und Abendmoden und gründete die mittlerweile bedeutsamste Modewoche Ostafrikas, die Swahili Fashion Week.


„Wer etwas über Mode in Tansania hört, der hört auf jeden Fall als erstes von mir“, stellt Mustafa Hassanali schon gleich zu Beginn klar. Der 35-Jährige, gut beleibte Designer empfängt seine Gäste in einem kleinen, kaum auffindbaren Büro in der Wirtschaftsmetropole Daressalaam und entspricht sofort den Vorstellungen, die einem über Modemacher so vorschweben: Exzentrisch, irgendwie übertrieben, benutzt er ausladende Gestik und Mimik, um seine Worte zu unterstreichen und fragt empört, wodurch die Verspätung von exakt 28 Minuten zu Stande gekommen sei – mit Warten auf ihn im Vorzimmer, erhält er als Antwort.

Doch Mustafa ist unverkennbar auch: ein Macher. Ein Schöpfer, wenn man es ganz genau nehmen möchte: In puncto Mode der erste und derzeit bekannteste Tansanias und ganz Ostafrikas. Braut- und Abendmoden, eine schlichte Basis, dazu möglichst viel Chichi, Verzierungen, Verspieltes – darauf hat sich Mustafa spezialisiert und das ist sein Stil. „Ich mag Glamour, Eleganz und Sexyness. Ein wenig wie bei Elie Saab oder Valentino“, ordnet er seine Arbeit ein.

Immer mehr Frauen kommen zu Mustafa und seinem 15-köpfigen Team, lassen sich beraten und einkleiden. „Gerade ist recht wenig los, weil die christliche Fastenzeit angebrochen ist. Da heiraten nicht nur wenige Christen, sondern auch wenige Muslime, weil die wissen, dass die Hochzeitsfeier mit ihren christlichen Freunden nach Ende der Fastenzeit ausgelassener sein wird. Nach Ostern wird es also wieder anders, besonders Juli bis Oktober vergehen jedes Jahr wie im Flug.“ Die schlimmsten Kunden? „Oh mein Gott!“, Mustafa verdreht dramatisch die Augen, „schwangere Bräute! Um die muss man sich aufwändig kümmern, sie massieren, ihre Hand halten.“

Doch Mustafa weiß, wie man selbst die hormonell komplexeste Kundengruppe für sich gewinnt: Der Designer ist eigentlich studierter Mediziner. „Wenn jemand zu mir kommt, kann ich wie ein Arzt oft direkt erkennen, wenn es einer Person nicht so gut geht und tue dann alles dafür, dass es ihr besser geht. Mode und Medizin sind insofern gar nicht so verschieden. Der Unterschied ist aber, dass ich nicht mit dem Leben spiele und vor allem meine eigenen Fehler verstecken kann, indem ich zum Beispiel eine Blume über eine verpatzte Naht nähe“, witzelt er.

Dabei war der Schritt vom Skalpell zum Maßband nicht immer einfach. „Meine Eltern kommen ursprünglich aus Indien, ich bin in einer typisch tansanischen Mittelklassefamilie groß geworden. Mode war zu Hause nie ein Thema, obwohl es mich schon immer interessiert und fasziniert hat. Aber meine Eltern haben es nicht richtig ernst genommen“, erinnert er sich. In der High School entwirft er in seiner Freizeit Kleider und schneidert schließlich eines für eine gute Freundin, die an der Wahl zur Miss Tansania teilnimmt. Als sie gewinnt, wird Mustafa über Nacht bekannt. „Danach habe ich im Schnitt zwei Kleider pro Monat entworfen. Aber weil ich auch etwas ‚Richtiges‘ lernen wollte, habe ich ein Medizinstudium angefangen“, erzählt er.

Jeder möchte schön aussehen und sich wohl fühlen – hab ich recht oder hab ich recht?

Nach dem Studium entscheidet sich Mustafa, eine halbjährige Pause einzulegen. „Ich wollte Kleider für Schönheitswettbewerbe entwerfen und Geld verdienen, um mir den Praxisteil der Arztausbildung finanzieren zu können. Daher haben meine Familie und die Uni meinen Wunsch schließlich akzeptiert, auch wenn sie dachten, es sei nur vorübergehend“, sagt Mustafa. Doch er kehrt nie mehr zurück: Ab diesem Zeitpunkt ist er endgültig an die Modewelt verloren. Das, was er mit Mode erreichen könne, erfülle ihn, sagt Mustafa: „Es ist ein Fakt, dass man mit Mode eine Person vollständig zufriedenstellen kann. Jeder möchte schön aussehen und sich wohl fühlen – hab ich recht oder hab ich recht? Das kann ich mit meiner Arbeit erreichen.“

In Tansania wachse der Markt für Mode auf jeden Fall besonders schnell: „Neben Südafrika, Nigeria und Marokko ist Tansania das wichtigste Modeland des afrikanischen Kontinents. Es gibt immer mehr Modeevents, Ausstellungen, Fashion Shows“, versichert er. Die größte des Landes hat er 2006 selbst gegründet: die Swahili Fashion Week. „Diese Veranstaltung hat die Modewelt in Tansania und Ostafrika auf ein neues Level gehoben. 24 Designer haben im letzten Jahr bei uns ausgestellt, die meisten aus kisuahelisprachigen Ländern, aber auch einige aus Ruanda, Zambia, Botswana oder Mosambik. Inzwischen ist die jährliche Swahili Fashion Week neben der Lagos Fashion and Design Week das wichtigste Modeevent des Kontinents.“

Auch immer mehr internationale Models stammen aus der Region, wie Liya Kebede aus Äthiopien, Stacey Amito aus Uganda oder Herieth Paul aus Tansania. Doch mit dem Erfolg komme auch die Kehrseite der Medaille: „Ich bekomme inzwischen so viele unmoralische Angebote per SMS oder über die sozialen Netzwerke, dass ich tief schockiert bin. Ich meine, auf der New York Fashion Week, ok – aber in diesem Teil der Welt, für die Swahili Fashion Week? Das muss doch nicht sein“, echauffiert sich Mustafa. Um gleich drauf in einem zehnminütigen Monolog zu beschwichtigen, warum er ansonsten aber grundsätzlich „pro Sex“, offenem Dialog darüber und für mehr Aufklärung in der konservativen tansanischen Gesellschaft sei. „Sex ist, wie Essen, zum Genießen da – hab ich recht oder hab ich recht?“, endet er seinen enthusiastischen Vortrag und überlegt merkbar, wie er da überhaupt drauf gekommen ist. „Aber dass es immer mehr bekannte Models und Designer aus Tansania und der Region gibt – das ist gut für uns“, zieht er gewaltsam den Bogen seiner Antwort.

Zurück also zum Thema. Ob seine Mode auch westlichen Einflüssen aus Paris, Mailand oder New York unterlegen sei? Mustafa verneint: „So wie ich keine bewussten Vorbilder habe, ist es mir grundsätzlich egal, woher ein Designer kommt – ob also aus Tansania oder aus Paris: mich interessiert nur die Mode.“

Selbst wenn ich das Angebot hätte, würde ich nur hinfahren, um Urlaub zu machen. 

Auch sei es keineswegs sein erklärtes Ziel, einmal auf der New York Fashion Week auszustellen. „Jeder kann dort ausstellen, wenn er im Geld schwimmt. Selbst wenn ich das Angebot hätte, würde ich nur hinfahren, um Urlaub zu machen. Wäre ich in Amerika aufgewachsen, wäre die New York Fashion Week mein Place-to-be. Aber ich bin in Tansania aufgewachsen, deshalb möchte ich mir hier etwas aufbauen“, sagt Mustafa, irgendwo zwischen Wut und Kompromissbereitschaft.

Selbst in modischer Hinsicht sehe er keinen Grund, aus seiner Heimat wegzugehen: „Immer mehr Designer holen sich Inspirationen vom afrikanischen Kontinent, wie zum Beispiel Louis Vuitton, als sie in ihrer Frühlings- und Sommer-Kollektion 2012 den Shuka-Stoff, aus dem die charakteristische traditionelle Kleidung der Maasai hergestellt ist, eingebunden haben. Burberry und H&M haben 2012 die ostafrikanische Stoffart Kitenge verwendet.“ Um solche Zusammenarbeiten jedoch auch für die Entwicklung des gesamten Landes zu nutzen, müsse die tansanische Regierung Regelungen einführen wie den verpflichtenden Bau von Schulen als Gegenleistung der Modeunternehmen. „Dann würde die Zusammenarbeit viel mehr Menschen zugutekommen“, fügt der energiegeladene Modeschöpfer hinzu.

Die Tasten sind heiß geschrieben, der Tee ist leer getrunken und Mustafa würde am liebsten noch Stunden weitererzählen. „Ich rede sehr gerne, wie ihr merkt. Ihr wolltet schon vor 30 Minuten gehen und sitzt immer noch hier“, lacht er laut und ohne auch nur den Hauch eines schlechten Gewissens. „Aber für manche Dinge muss man sich im Leben Zeit nehmen – hab ich recht oder hab ich recht?“

 


5. März 2016

 


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