Joseph Ntwali

Joseph Ntwali

… steht am Anfang einer großen Künstlerkarriere.


Abstrakte Kunst ist eine Kunst für sich. „Eine Frage des Geschmacks“ resümiert man gerne ausweichend, um die Verschiedenheit der Vorlieben nicht bewerten oder verletzen zu wollen. Für den einen ist sie schlichtweg unverständlich – für Menschen wie Joseph Ntwali ist sie die größte Form von Kraft, die ein Kunstgemälde ausdrücken kann.

Der 19-Jährige weiß, wovon er spricht. Seit ihm sein Vater im Kindesalter Wachsmalstifte mit nach Hause brachte, hat er Malwerkzeuge nicht wieder aus der Hand gelegt. Was folgte, klingt nach klassischer Künstlerlaufbahn: Kritzeleien im Schulunterricht zum Zeitvertreib, ungewollte Übernahme der Lehrerrolle im Kunstunterricht, die Entwicklung vom Zeichnen hin zur Malerei. Mit 16 Jahren dann das erste verkaufte Gemälde. „Den Namen des ersten verkauften Bildes vergisst man nie. Meines hieß ‚Unity‘“, erinnert sich Joseph. Inzwischen wurden einige seiner Werke in den USA, Schweden, Großbritannien und Deutschland ausgestellt. Kurzum: Joseph ist auf dem besten Weg, seine Leidenschaft zu einem lukrativen Beruf zu machen.

Joseph steht am Anfang seiner Karriere – wie die ruandische Kunstszene vor der ihren. Denn so viel Geld andernorts mit Leinwand und Pinsel auch verdient werden kann, der kritische Betrachter kommt hierzulande erst allmählich auf den Geschmack. „In Ruanda halten es viele für verrückt, Kunst zu machen“, sagt Joseph. Kunstschulen oder andere Ausbildungsformen gebe es bislang wenige, wobei einige gerade gegründet worden seien und auch an Anerkennung gewännen. Für sein berufliches Weiterkommen musste sich der junge Künstler dennoch an Universitäten außerhalb des Kontinents bewerben: „Ich will in den USA Kunst studieren, habe mich dort beworben und warte aktuell auf Rückmeldungen“, erzählt er, sichtlich stolz.

So ungewöhnlich Josephs Berufswahl für ruandische Verhältnisse noch ist – richtig überrascht dürften seine Eltern nicht gewesen sein, als sich ihr Sohn für das Künstlerdasein entschied. Auch seine fünf älteren Brüder leben und arbeiten in der Kunstgalerie „Inema“, die zwei von ihnen, Emmanuel Nkuranga und Innocent Nkurunziza, in Ruandas Hauptstadt Kigali vor drei Jahren ins Leben riefen. Inzwischen zählt die Gemeinschaft zehn Mitglieder, Joseph ist der jüngste unter ihnen. Was die Künstler hier erschaffen, scheint auch das Interesse der internationalen Kunstwelt geweckt zu haben. New York, Kanada, Dänemark und Deutschland standen etwa in diesem Jahr im Terminkalender. „Ich mag Kölsch“, ruft Josephs Bruder Emmanuel lachend wie zum Beweis in gebrochenem Deutsch aus der Ferne. Viele Kunstkenner und Kunden seien auf der Suche nach Ideen vom afrikanischen Kontinent.

Einen Eindruck davon vermittelt ein Rundgang durch die Galerie: hier ein dunkles Gemälde, deren Mittelpunkt die Augen eines landestypischen Gorillas bilden, daneben die Serie „Food for Thought“ von Innocent Nkurunziza, für die dieser ein Jahr lang durch das Land fuhr und gebrauchte Töpfe gegen neue eintauschte. „Um die Schönheit in Dingen zu zeigen, die viele einfach wegwerfen“, wie er selbst über das Projekt sagt. Zwischendrin ein abstraktes Gemälde von Joseph, „Reflections“, das Boote im Wasser darstellt.

Gedanklich und räumlich eng mit seinen Brüdern und anderen Künstlern zusammenzuwohnen, bezeichnet Joseph nach einer Denkpause als „bereichernd“. „Sie sind Motivation für mich und gleichzeitig ein Korrektiv“, reflektiert er. Wie bei seinem ersten Gemälde, das er neu malte, weil sein Bruder anmerkte, es sei noch nicht perfekt. Oder wie bei seinem nächsten Projekt, das er wahrscheinlich nächste Woche beginnen wird. „Mein anderer Bruder war es, der mich auf die Idee brachte, etwas mit Flaschen zu machen. Ich habe da so eine Idee…“, deutet er schmunzelnd an.

Am liebsten male ich abends, wenn es dunkel wird. Dann wird die Stadt ruhig und nichts stört mich.

Während des Malens selbst braucht Joseph dann eigentlich nur eines: Ruhe. „Am liebsten male ich abends, wenn es dunkel wird. Dann wird die Stadt ruhig und nichts stört mich“, sagt er. Wahrscheinlich auch, um das zu empfinden, was er dem Betrachter am dringendsten zeigen möchte: „Ich will Frieden vermitteln und Chaos vermeiden.“ Ein bisschen trägt er dazu schon jetzt bei, indem er in seiner Freizeit an zwei Projekten der Kunstgalerie mitwirkt: Die Künstler von Inema gründeten zwei soziale Initiativen, die sich zum einen an ehemals arbeitslose Frauen wendet, die unter Anleitung Kunsthandwerk und Porzellan herstellen und zum anderen an Waisen und Kinder aus sozial benachteiligten Familien.

So schön dies alles klingt – ein Träumer ist Joseph nicht. Der junge Ruander weiß sehr genau, dass der Weg zum internationalen Erfolg mit harter Arbeit gepflastert ist. Entsprechend sind die beiden ersten Worte, die Joseph für sich selbst findet, „perfektionistisch“ und „ehrgeizig“. „Wenn ich ein Bild male, habe ich vorher im Kopf, wie es auszusehen hat. Ich male es dann solange, bis es genau so aussieht, wie ich es mir vorgestellt habe.“ Kritisiere jemand seine Arbeit, treibe ihn das an, härter zu arbeiten. Josephs Lebensmotto überrascht vor diesem Hintergrund nicht: „Arbeite so hart, dass deine Vorbilder zu deinen Gegnern werden“.

Sich mit seinem großen Vorbild Pablo Picasso vergleichen, das will Joseph dann zunächst allerdings nicht – „wobei, alles ist möglich“, revidiert er wenige Sekunden später. Ein bisschen träumen darf dann doch erlaubt sein.


21. November 2015

 


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