Margret Nyaboke

Magret Myaboke

pflückt jeden Tag 40 Kilo Teeblätter, um ihren Kindern eine blühende Zukunft zu ermöglichen.


Woher stammt eigentlich der Tee, der uns jeden Morgen am Frühstückstisch die nötige Energie einhaucht, um den Tag gut durchzustehen? Der uns seit Jahren auf dem Weg zur Arbeit begleitet, uns an winterlichen Abenden die kalten Glieder wärmt? Die Chancen stehen gut, dass sein Ursprung in Kenia liegt. Genauer gesagt in Kericho: Willkommen in Afrikas Zentrum des Tees.

Auf 2000 Höhenmetern wühlt sich Margret Nyaboke in der brütenden kenianischen Hitze durch die dicht gedrängten, hüfthohen Teepflanzen. Seit sieben Uhr morgens pflückt die 43-Jährige unentwegt Blätter, drei Stunden später sammeln sich etwa 15 Kilo davon in ihrem Sack. Bis 16 Uhr, dem wohlverdienten Feierabend, wird es knapp das Dreifache sein. Die Handgriffe sind längst automatisiert, denn Margret pflückt seit nunmehr sechs Jahren mit den anderen Farmern um die Wette. Von denen gibt es unzählbar viele in Kenia und vor allem in Kericho, dem größten Teeanbaugebiet des Landes. Schätzungsweise vier Millionen Kenianer – das entspricht knapp zehn Prozent der Gesamtbevölkerung – arbeiten in der Teeproduktion. Kenia ist hinter China und Indien der drittgrößte Produzent der Welt. Mit rund 400.000 Tonnen jährlichem Ertrag ist das Heißgetränk neben dem Tourismus der bedeutsamste Wirtschaftsmotor des Landes.

Die Pflücker, die von Montag bis Samstag auf den Feldern schuften, sind die Zündkerzen dieses Motors. 60 Prozent der kenianischen Tee-Farmer sind Kleinbauern und Wanderarbeiter. Der Rest arbeitet für große internationale Firmen: Briten, Holländer, Unilever. Im kenianischen Rift Valley werden beide Fraktionen durch die Schnellstraße zwischen Nairobi und Kisumu getrennt: rechts die Konzerne, links die Kleinbauern. Rechts wird mit modernem Gerät geerntet, links arbeiten Margret und ihre Kollegen ausschließlich von Hand. Für ihre täglich gepflückten 40 Kilo erhält die sechsfache Familienmutter rund 2,50 Euro von der kenianischen Teefarmer-Genossenschaft KTDA, denn bezahlt wird nach geerntetem Gewicht. Manch männlicher Kollege pflückt an einem ertragreichen Tag mehr als sein eigenes Körpergewicht – und verdient damit kaum mehr als fünf Euro. „Aber es ist kein schlimmer Job“, versichert Margret. „Ich kann durch dieses Einkommen alle meine Kinder zur Schule und aufs College schicken, ihre Schulkosten bezahlen. Darauf bin ich sehr stolz“, sagt sie und zeigt ein breites Grinsen, das so gar nicht nach harter körperlicher Arbeit auszusehen scheint.

Dabei ist der Alltag der kenianischen Teepflücker genau das. Vor allem jener der Frauen. Morgens um 6 Uhr steht Margret auf – als erstes ist eine Tasse Tee obligatorisch – und bereitet Frühstück und Mittagessen für ihre Töchter und Söhne vor, weil sie sich mittags keine Pause leisten kann. Auf dem Feld warten ab 7 Uhr Sonne, Nässe und rote Ameisen, die brennen, regnen und beißen. „Manchmal ist der Job hart, aber mein Körper hat sich daran gewöhnt“, sagt sie gelassen. Nachdem der Tagesertrag nachmittags von der Genossenschaft abgeholt worden ist, steht bis zum Abend erneut Hausarbeit an. „Zum Glück liegt unser Haus direkt hinter der Farm, so bin ich nach der Arbeit schnell bei meiner Familie“, sagt Margret.

Ihr überdimensionaler Arbeitsplatz, der Große Afrikanische Grabenbruch, wurde reich gesegnet mit allem, was es zur Teeproduktion braucht: Ein feuchtes Klima mit regelmäßigen Regenfällen sogar in der Trockenzeit und eine optimale Durchschnittstemperatur von 18 Grad. Seit 1924 wird deshalb in Kericho im großen Stil Tee angebaut und weiterverarbeitet – mehr als 30 Fabriken befinden sich inzwischen alleine im direkten Umfeld der Stadt. Alle 14 Tage kann eine Pflanze geerntet werden, denn so lange dauert es, bis die Blätter nachgewachsen sind. Das garantiert sichere Ernten zu jeder Jahreszeit. Den besten Tee versprechen dabei die hellgrünen, weichen Blätter: Sie sind nicht so bitter wie die älteren, ledrigen Exemplare. Und damit perfekt für den Export, für den mehr als 90 Prozent der Ernte gedacht sind. Das macht Kenia zum Exportweltmeister in Sachen Tee.

Die lokalen Kleinbauern um Margret liefern dabei eine deutlich höhere Qualität ab als die internationale Konkurrenz auf der anderen Straßenseite. Deren Erntemaschinen können nicht unterscheiden zwischen hell- und dunkelgrün, zwischen mild und bitter. Die Kenianer kreieren Kunst, die Briten brauen Brühe. Um das ein wenig zu kaschieren, kaufen die großen Unternehmen den Kleinbauern nach dem Trocknen große Mengen Tee ab, um das eigene Kraut zu verfeinern. Ansonsten hätten Unilever und Co auf dem internationalen Markt kaum eine Chance gegen die Tee-Profis um Margret Nyaboke.

Die Newcomer unter uns schaffen zu Beginn vielleicht fünf Kilo am Tag und sind deprimiert.

Je älter die Farmer, desto geschmeidiger wirken ihre Bewegungen auf dem Feld. Aus gutem Grund, denn es ist noch kein Tee-Experte vom Himmel gefallen. „Die Newcomer unter uns schaffen zu Beginn vielleicht fünf Kilo am Tag und sind deprimiert“, erzählt sie auch aus eigener Erfahrung. „Aber nach einem Monat schaffst du dann schon zehn Kilo und wirst von Tag zu Tag schneller.“ Auch für ihren Nachwuchs wäre dieser Job theoretisch eine Option. Doch Margret winkt ab: „Ich möchte nicht, dass meine Kinder später einmal die gleiche Arbeit machen wie ich. Ich will ihnen das College finanzieren, damit sie eines Tages einen besseren Job bekommen.“ Tee als Mittel zum Zweck: Für den europäischen Nine-to-fiver, um an einem tristen Wintertag durch den Büroalltag zu kommen – und für den bescheidenen Traum einer kenianischen Mutter, um ihren Kindern eine blühende Zukunft zu ermöglichen.


18. Januar 2016

 


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