Margaret Nakigarda

Margaret Nakigarda

verleiht ihrem Glauben als Mitglied eines Kirchenchors im wahrsten Sinne des Wortes eine Stimme.


Wer durch Uganda spaziert, kommt nicht umhin, eines Tages die lautstarken Gesänge zu vernehmen, die aus einer der vielen Kirchen im Land dringen – so laut und selbst aus der Ferne so kraftvoll, dass es unmöglich ist, nicht einen Gottesdienst besuchen zu wollen.

Es ist Weihnachten in Uganda. In den Shoppingmalls und Restaurants blinken grell und kitschig beleuchtete Tannenbäume, Mitarbeiter tragen lustige Weihnachtsmützen und im Fernsehen versucht André Rieu mit seinem 100-Mann-Orchester und sechs Sängerinnen in teuren Ballkleidern die amerikanischen Konzertbesucher in Weihnachtsstimmung zu versetzen. Bezogen auf den afrikanischen Fernsehzuschauer gelingt es ihm offensichtlich nicht – womöglich sind es auch die 30 Grad auf dem Thermometer, die jede weihnachtliche Sentimentalität in Kampala verhindern.

Vielleicht ändert dies ja ein landestypischer Weihnachtsgottesdienst, etwa in der „Holy Word Healing Ministry“-Gemeinde in Mulago, einem Vorort der Hauptstadt. 500 gläubige Christen beten und feiern hier regelmäßig Gottesdienst, eigentlich an vier Abenden in der Woche. Heute, an Weihnachten, sind nur 200 von ihnen gekommen: Der Großteil ist in die Heimat zur Familie gefahren. Uganda ist ein religiöses Land: Knapp 85 Prozent der Bevölkerung gehören dem christlichen Glauben an und Weihnachten ist ein Nationalfeiertag. Dass weniger Gläubige anwesend sind, tut der Stimmung im Gottesdienst allerdings keinen Abbruch – auch dank Margaret Nakigarda und ihrem 20-köpfigen Worship Team. Seit sieben Jahren ist die 21-Jährige Sängerin im Kirchenchor in ihrer Gemeinde und kommt in die Kirche, so oft es ihr möglich ist. „Der Transport hierher ist teuer für mich, weil ich keinen Beruf und kein regelmäßiges Einkommen habe“, erzählt sie. Sie zuckt mit den Schultern: „Ich hatte nicht die Chance, eine gute Schulbildung zu erhalten.“

Ich singe aus der Tiefe meines Herzens, es ist ein starkes Verlangen in mir.

Dass Margaret kein einfaches Leben gehabt haben muss, ist zu erahnen – die meiste Zeit ist ihr Blick dunkel, fast düster; sie wirkt hart oder zumindest ziemlich taff. Doch als sie vom Singen und ihrem Glauben erzählt, wird sie auf einmal sentimental. Sie schließt die Augen, fasst sich mit beiden Händen ans Herz, kann kaum in Worte fassen, was Singen in der Kirche für sie bedeutet. „Ich versuche es zu beschreiben“, fängt sie an, „ich singe aus der Tiefe meines Herzens, es ist ein starkes Verlangen in mir.“ Es mache sie unsagbar glücklich, Gott zu lobpreisen, sich durch das Singen ausdrücken zu können. Wenn der Gottesdienst – wie es in Uganda gerne schon mal vorkommt – den ganzen Tag dauert, sei dies zwar anstrengend, aber es fühle sich keineswegs so an, winkt Margaret ab.

Doch der heutige Tag habe noch einmal eine besondere Bedeutung für sie: „Weihnachten ist der wichtigste Tag im Jahr für mich, denn ohne Jesu Geburt würde ich vielleicht nicht leben. Deshalb bin ich heute besonders dankbar.“ Nach dem Gottesdienst, erzählt sie, wird sie mit Freunden zusammen essen und abends Billard spielen. Auch ein Geschenk wird sie nach dem Gottesdienst bekommen – in der Gemeinde konnte jeder freiwillig seinen Namen auf einen Zettel schreiben und dafür einen anderen ziehen. „Ich werde ein Handy verschenken, dafür habe ich Monate gearbeitet“, sagt sie sichtlich stolz.

Auch der Chor hat für diesen Tag wochenlang Sonderproben eingelegt. Höchst herausgeputzt präsentieren sich dem Anlass entsprechend alle eintreffenden Kirchgänger: Die Männer tragen gebügelte Anzüge, die Frauen Highheels und festliche Kleider. Margaret eröffnet den Gottesdienst und singt inbrünstig das erste Lied, der Chor begleitet sie im Hintergrund. „Besinnlich“ ist die Stimmung an diesem Weihnachtstag allerdings eher nicht: Die Lautsprecherboxen sind voll oder noch weiter aufgedreht, sodass sich spätestens hier erklärt, wie die Sänger auch von der Straße aus zu vernehmen sind. Nach einer Stunde ist der Besucher vollends eingelullt, die Ohren rauschen, alle wiegen sich im Rhythmus der lebhaften, tief religiösen Musik. „Vergebt und dann vergesst auch, was der andere getan hat“, predigt der Pastor anschließend 90 Minuten lang, wobei er mehr in das Mikro brüllt als dass er spricht. Vor einigen Jahren soll er vor Gericht wegen Lärmbelästigung während seiner Gottesdienste verurteilt worden sein – immerhin stellt der Geistliche sicher, dass seine eindringliche Botschaft auch alle Anwesenden erreicht. Stille Nacht, heilige Nacht? In Uganda scheint es vielmehr laut zu sein, wobei nicht weniger heilig.

Margaret hat zwischenzeitlich die Bühne verlassen, um ihren neun Monate alten Sohn Adams zu füttern. Im Anschluss an den Gottesdienst bekommt sie einen kunstvoll bemalten Teller und eine Tasse geschenkt, worüber sie sich sehr freut. Vielleicht werde sie ja mal eine berühmte Sängerin, sagt sie unvermittelt und spielt ihren selbst komponierten Lieblingssong auf dem Handy ab. „Dieser Tag ist dankbar“ heißt er übersetzt – alle ihre Stücke handeln von ihrem Glauben an Gott. „Nein, kein einziges Lied handelt von der Liebe“, lacht sie überrascht über die Frage, als wäre dies eine abwegige Vorstellung. Sie fügt hinzu: „Gott ist viel wichtiger in meinem Leben.“


25. Dezember 2015

 


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