Jack Rooster

Jack Rooster

mischt nicht nur House-Musik, sondern auch Kenias Musikszene kräftig auf.


Jeder hat so einen Song. Einen Sänger. Eine Musikrichtung. Du setzt die Kopfhörer auf, drückst auf Play. Gänsehaut. Du schließt die Augen, der Kopf beginnt, zum Rhythmus zu nicken. Der Körper gesellt sich dazu, wiegt sich zum Beat. Du hoffst noch kurz, dass dir niemand zusehen kann, dann ergibst du dich dem Flow, vergisst das Leben um dich herum, das immerzu nach Aufmerksamkeit schreit. Der Rest der Welt – er muss warten. Diese Stimme, dieser Rhythmus, dieser Song. Platz ist nur für diesen einen Gedanken: ein schlichtes, simples „Ist das gut!“

Für diejenigen, bei denen Deep House genau diese Reaktion hervorruft, dürfte es sich lohnen, mal bei DJ Jack Rooster reinzuhören. Jazzige House-Musik, kombiniert mit Trommeln und Klängen traditioneller Holzinstrumente, dazu Gesangsteile auf Kisuaheli, anderen indigenen Sprachen und Englisch. „Afro-House“ nennt sich die musikalische Stilrichtung, die Jack bedient – und die erobert gerade den Kontinent.

Kenia ist eines der Länder, deren Musiker die Musikszene derzeit am stärksten verändern. „Südafrika ist das Zentrum der afrikanischen Szene, auch in Nigeria passiert sehr viel, speziell im Bereich House-Musik. Neben Kenia entwickeln auch Musiker aus Angola einen eigenen Stil, der gerade sehr im Kommen ist“, erklärt Jack. Innerhalb von Kenia ist Nairobi wiederum die Stadt, in der am meisten geht, der buchstäbliche Place to be der nationalen Kunst- und Musikszene. „In Nairobi tauchen gerade viele neue DJs und Produzenten auf, welche die afrikanische Story repräsentieren und sich an verschiedene Nationalitäten richten. Die Stadt ist sehr ‚hippie‘, wenn man das so sagen kann, aber in einem afrikanischen Sinn. Viele Musiker kommen hierher und entscheiden sich, zu bleiben“, sagt Jack.

DJ Jack Rooster ist einer von ihnen – aber nicht irgendeiner. Der 33-jährige Kenianer wurde im letzten Jahr vom UP Magazine Nairobi zum besten DJ der Stadt gewählt. Heute Abend legt er bei What’s Good TV auf, einem aufstrebenden Radio- und Fernsehsender, der jeden Mittwoch verschiedene Menschen aus ganz Afrika zum Live-Interview einlädt. Seine Musik bezeichnet Jack als „afrozentrisch“: „House-Musik ist die Basis, dazu mixe ich indigene Sprachen. Als DJ kann ich Sprachen aus allen denkbaren Ländern nehmen, aus Namibia, Südafrika, Mosambik. Das ist das Spannende an Musik: Auch wenn wir nicht dieselbe Sprache sprechen, verstehe ich, fühle ich, was du sagst.“

Ich möchte das weiterführen, was unsere Vorfahren begonnen haben: den Kontinent zu vereinen.

Musik sei seine Art, mit den Menschen zu kommunizieren. Der nachdenkliche Künstler hat ein wichtiges Anliegen, das er mit seiner Musik vermitteln möchte: die Stärkung des Panafrikanismus, die Einheit aller Menschen mit afrikanischem Hintergrund. „Ich möchte das weiterzuführen, was unsere Vorfahren wie Nkrumah oder Lumumba begonnen haben: den Kontinent zu vereinen. Ich finde, wir haben als Künstler die Verantwortung dafür.“ Vieles sei bereits in Bewegung, besonders innerhalb der jüngeren Generationen: „Viele aus meiner Altersgruppe können beispielsweise nur Englisch und Kisuaheli. Aber jetzt wollen sie die Sprachen ihrer Vorfahren lernen – viele werden sich ihrer Wurzeln bewusster und sind stolz auf sie. Es ist an der Zeit, dass wir unsere eigenen Geschichten erzählen.“

Seine Musik sei sein Beitrag dazu: „Die meisten wissen nicht, dass es mir um Panafrikanismus geht, aber sie bekommen ein Gefühl dafür. Ich verwende so viele Sprachen wie möglich, damit sich meine Hörer der anderen Länder bewusst werden. Wenn sie die Musik dann mögen, teilen und ihren Freunden zeigen, bilden sie sich gegenseitig weiter und verändern so nach und nach den Kontinent.“

Der Schlüssel für seinen Erfolg sei jedoch etwas ganz anderes, sagt Jack und benennt dies zugleich präzise wie reflektiert: „Verstanden zu haben, was ich auf diesem Planeten tun sollte.“ Eigentlich ist Jack studierter IT-Ingenieur und verdient sich in diesem Business noch immer einen Teil seiner Brötchen. Dabei war es ebendieser Beruf, der ihn zu seiner großen Liebe führte, der Musik: „Beruflich bin ich oft nach Südafrika gereist, wo ich in Kontakt mit der dortigen Club- und Musikszene gekommen bin. Es lief so gute House-Musik im Radio, die ich kaufen und mit nach Hause nehmen konnte. Das kannte ich bis dahin nicht“, erinnert sich Jack.

Zurück in Kenia stellt er fest, dass auch seinen Freunden die Musik gefällt. Das Internetzeitalter, das die Musikverbreitung erleichtert und die ersten Afro-House-Klänge von DJ Mr. Thrill sind es zusätzlich, die Jack 2008 eine Entscheidung treffen lassen: „Ich hatte mich in diese Musik verliebt. Und ich wusste: Hier gibt es eine Lücke. Also habe ich angefangen, House-Musik zu machen.“ Er kauft seine erste DJ-Ausrüstung, launcht eine Website und den eigenen Podcast „Deeper sounds of Nairobi“. Eines Tages bekommt er die Chance, für eine Radioshow live aufzulegen. „Ich bin dadurch recht schnell bekannter geworden“, fasst Jack diese Zeit zusammen.

Doch all das reicht dem sensiblen, energiegeladenen Musiker noch lange nicht: „Nachdem ich herausgefunden hatte, was ich tun wollte im Leben, musste ich lernen, das auch umzusetzen. Wie ein Lehrer, der im zweiten Schritt schauen muss, dass seine Schüler ihn auch verstehen.“ Jack beginnt ein Journalismusstudium, um zu lernen, wie man Inhalte richtig vermittelt: „Musik ist Kommunikation – deshalb wollte ich lernen, wie man effektiv kommuniziert. Es hat mir geholfen, professioneller zu werden und ich habe gelernt, besser mit meinem Publikum zu interagieren.“

Je mehr Leute Musik produzieren, desto besser wird sie und nur darum geht es.

Auch Ausschau nach denen zu halten, die besser sind als das vom Gegenteil überzeugte Ego, nennt Jack als einen Schlüsselfaktor auf dem Weg zum Erfolg: „Mein Vorbild ist DJ Black Coffee. Wenn er spielt, kannst ich es fühlen, es ist nicht nur Musik. Dann sehe ich: Das sind nicht nur komische Gedanken, die ich habe, das ist etwas Reales. Und arbeite weiter daran, mich zu verbessern.“ Als Konkurrenz sieht Jack andere Künstler deshalb nicht, im Gegenteil: „Musik ist kein Wettbewerb. Je mehr Leute Musik produzieren, desto besser wird sie und nur darum geht es. Auch hier in Nairobi ist es vielmehr Zusammenarbeit anstelle von Konkurrenz – Künstler erwähnen sich gegenseitig, auch aus verschiedenen afrikanischen Ländern.“

Afrikanisch, spirituell und ein Freigeist – so würde sich Jack in drei Worten am ehesten beschreiben. Zu seinen weiteren Plänen gibt er an, vielleicht bald ein Musikstudium zu beginnen, um seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. „Ich will lernen, die Leute, die für mich arbeiten, besser zu dirigieren. Je mehr ich über Musik lerne, desto eher kann ich sagen: mach dies und jenes für mich.“ An seinem ersten Album arbeitet er bereits, Mitte des Jahres soll es auf den Markt kommen. Für den mit Fortschreiten der Show spät gewordenen Abend hat Jack dann aber nur noch eines vor – und zeigt einmal mehr sein natürliches Lächeln, das ihm im Gespräch so häufig über die Lippen kommt. „Ich werde meine Kopfhörer aufsetzen und ‚All over again‘ von Dario d´Attis und Lisa Shaw hören. Das ist ‚dieser eine Song‘ gerade für mich. Er ist so emotional. Er ist, wie gute Musik sein sollte: eine direkte Injektion.“


20. Januar 2016

 


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