Mariam Uwizeyimana

Mariam Uwizeyimana… sorgt wie all ihre Mitbürger für Sauberkeit in Ruanda. Denn einmal im Monat ist Putztag im ganzen Land.


Der ruandische Frieden, er ist auch ein Frieden der Symbolik. Zum Beispiel die Machete. Sie entwickelte sich zum vielleicht mächtigsten Stellvertreterbild des Genozids 1994. Als in weniger als 100 Tagen fast eine Million Tutsi und gemäßigte Hutu im Rausch der mordenden Hutu-Mehrheit umkamen, war sie das bedeutsamste Instrument der Killer. Eine Ikone der Grausamkeit. Doch heute, knapp 22 Jahre später, ist die Machete auf einem guten Weg, einen Bedeutungswandel zu vollziehen. Als Ikone der nationalen Solidarität. Auch heute ist sie wieder ein wichtiges Instrument, dieses Mal jedoch als Garant der friedlichen Entwicklung des Landes.

Wir halten unsere Stadt sauber, bauen unser Land Stück für Stück auf und entwickeln einen starken Gemeinschaftssinn.

Es ist der letzte Samstag im November. Umuganda Day – wie an jedem letzten Samstag eines jeden Monats. An Umuganda räumt das ruandische Volk geschlossen auf, putzt, säubert und hilft den Armen und Schwachen. „Umuganda ist eine großartige Idee. Wir halten unsere Stadt sauber, bauen unser Land Stück für Stück auf und entwickeln einen starken Gemeinschaftssinn“, fasst Mariam Uwizeyimana ihre Gedanken zusammen. Die 40-jährige Bäuerin assistiert ihren Nachbarn, schneidet Gras im kleinen Stadtpark von Karongi und transportiert es anschließend ab. Die ganze Stadtbevölkerung arbeitet im Akkord. Egal ob Tutsi oder Hutu, hier zeigt sich eine Stadt als Einheit. Die gebogenen Macheten dienen zum trimmen des Grases, der Hecken und der Bäume. Am Ende des Vormittags sieht der kleine Park aus wie geleckt. „Früher war das hier der Schandfleck der Stadt“, erinnert sich Mariam. Die Leute hätten sich ständig beschwert – doch nun sei dies ein viel besuchter Ort.

Und Karongi eine saubere Stadt. Wie das gesamte Land profitiert die Kleinstadt am Lake Kivu vom sozialen Engagement der Bevölkerung. Die Teilnahme an Umuganda ist obligatorisch: Jede Familie muss mindestens ein Mitglied entsenden. Das Nutzen motorisierter Fahrzeuge ist bis zum Mittag verboten. So liegt eine seltsame Stille über diesem Ort – einem der am dichtest bevölkerten auf dem gesamten Kontinent. Ab Punkt 8 Uhr wird geschuftet. Drei Stunden lang werden Straßen gesäubert, Bäume geschnitten und Rasen gemäht. „Kurz vor Umuganda fühle ich mich jeden Monat besser“, sagt Mariam. „Dann freue ich mich darauf, die Fortschritte in meiner Stadt mitzuerleben und vor allem darauf, meine Freunde zu treffen.“

Denn Umuganda ist viel mehr als ein großer Putztag. Umuganda ist eine regelmäßige Selbstvergewisserung des nationalen Zusammenhalts. „Gemeinschaftsarbeit bedeutet vor allem den Einsatz für die Schwachen und Bedürftigen“, sagt Mariam. Dies zeigt sich bei der anschließenden Bürgerversammlung. Auch die findet monatlich statt, jeder Sektor beruft eine eigene Versammlung ein. In Karongi etwa, einer Stadt mit 50000 Einwohnern, gibt es sieben Sektoren. So treffen sich einmal monatlich alle Familien in einem überschaubaren Bezirk, um über die Nöte der Bevölkerung zu beraten. Ein höchst beeindruckendes Ereignis, ein Stelldichein der Ärmsten und der Reichsten.

„Wir wollen Ruanda zum Paradies umgestalten“, ruft ein Bewohner ins Mikrofon, „wir wollen die Zukunft unseres schönen Landes gemeinsam gestalten.“ Die Leute jubeln. Diese Treffen an Umuganda sind ein Grund zur Freude, die Stimmung ist gelöst. Denn es werden positive Nachrichten verkündet: Ein Supermarktinhaber erklärt, er werde die Krankenversicherungskosten von 30 Mitbürgern übernehmen. Gleich darauf tut es ihm der Besitzer eines Mobilfunk-Shops gleich, die städtische Kirchengemeinde übernimmt gar die Kosten für 100 Versicherungsnehmer. „So etwas passiert jeden Monat“, erzählt Mariam. Anschließend wird entschieden, dass die Gemeinschaft einer städtischen Witwe ein neues Haus bauen wird und eine Nachtpatrouille gegen Diebe installiert werden soll.

„Wir sind wirklich sehr stolz auf diesen Tag und den Gemeinschaftssinn, den wir hier entwickeln“, ist Mariam nach der Versammlung zufrieden. Auch sie profitierte bereits mehrfach vom Zusammenhalt der Bevölkerung: Nachdem ihr Mann vor einigen Jahren starb, übernahmen Mitbürger die Krankenversicherungskosten für sie und ihre drei Kinder. Auch in diesem Jahr erhielten sie diese Form der Unterstützung.

Ruanda entwickelt sich in einer Geschwindigkeit, die man vor 20 Jahren nicht ansatzweise für möglich gehalten hätte. Das Land, in welchem Plastiktüten gesetzlich verboten sind, gilt heute als eines der saubersten der Welt. Und auch auf die Einheit der Bevölkerung nimmt der Umuganda Day wichtigen Einfluss. „Nach dem Völkermord war unser Land kaputt“, sagt Mariam. „Aber wir haben entschieden, uns zusammenzureißen und unser Land zu entwickeln. Wir wollen die Historie hinter uns lassen.“ Sie und ihre zwölf Millionen Mitmenschen bauen dieses Land wieder auf. Gemeinsam, von Hand und mit der Machete.


28. November 2015

 


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