Jackline Ituwe

Jackline Ituwe

ist eine von nur drei Boda-Boda-Fahrerinnen in Arusha – dabei besitzt sie gar keinen Führerschein.


Der öffentliche Nah- und Überlandverkehr im Osten Afrikas ist ein bisweilen lebensgefährliches Erlebnis. Der Fahrer des Gefährts, in welchem diese Zeilen entstehen, zieht soeben irgendwo zwischen Serengeti und Arusha über eine durchgezogene Linie und überholt einen LKW. Die Straße steigt an, oben eine Kuppe, noch knapp 200 Meter, dahinter der blaue Himmel – und die Hoffnung, dass der Gegenverkehr ausbleibt. So agiert er immer wieder, seit Stunden, an Kuppen, in Kurven und in geschlossenen Ortschaften. Knock on wood. Die meisten seiner Kollegen behelfen sich mit bunten, fett gedruckten Glaubensbekenntnissen zu Gott – oder zum Lieblingsclub aus der Premier League – welche an den Außenseiten der Boliden prangen. Der Verkehr in Tansania und den Nachbarstaaten ist chaotisch, laut, unvorhersehbar, meist aggressiv und kommt häufig einem Blindflug gleich. African Roulette am Steuer.

Hinter ebendiesem sitzt zumeist ein Mann. Auch in Arusha, Tansanias drittgrößter Stadt, chauffiert nicht eine einzige Frau einen Minibus, ein Taxi oder Tuk-Tuk. Doch unter den Tausenden Boda-Boda-Fahrern, jenen Motorrad-Taxis, die hauptsächlich für die Kurzdistanzen innerhalb der Safari-Hochburg zuständig sind, finden sich exakt drei Ausnahmen: Boda-Fahrerinnen wie Jackline Ituwe.

Einige fangen an zu Lachen, wenn sie erkennen, dass ich eine Frau bin. Andere, komischerweise hauptsächlich Frauen, gehen einfach weg, wenn sie mich sehen.

„Bis vor einem halben Jahr war ich arbeitslos“, erzählt sie, „also habe ich mich dazu entschieden, Boda-Fahrerin zu werden.“ Drei Jahre lang sparte sie zuvor für ihrem Traum, einem eigenen Motorrad. Inzwischen stellt es eine äußerst verlässliche Einkommensquelle dar: Etwa 20 Kunden nehmen täglich hinter Jackline Platz, um von A nach B zu gelangen. Zwar fühle sie sich nicht als Exotin, erklärt sie, doch manch potentieller Kunde sehe das anders: „Einige fangen an zu lachen, wenn sie erkennen, dass ich eine Frau bin. Andere, komischerweise hauptsächlich Frauen, gehen einfach weg, wenn sie mich sehen – und fahren dann dieselbe Strecke mit einem Mann“, sagt sie und nimmt es mit Humor.

Denn alle, die einmal bei ihr mitgefahren sind, schwören auf die Zuverlässigkeit und den vorausschauenden Fahrstil der 38-Jährigen. Vor allem Männer, sagt sie, mögen es, von einer Frau gefahren zu werden. „Sie loben mich häufig, ich würde besser fahren als meine männlichen Kollegen. Deren Stil ist ihnen zu ruppig.“ Jackline hat zwar einen außerordentlich gefährlichen Beruf gewählt, um für sich und ihre neunjährige Tochter Herieth die Brötchen auf dem Tisch zu garantieren, doch dieser war eben schon immer ihr Traumjob: „Seit ich denken kann, wollte ich mein eigener Boss sein und entscheiden, wann ich Überstunden schiebe und wann mal eine Pause nötig ist. Deshalb liebe ich meinen Job“, sagt sie enthusiastisch.

Männer seien erst skeptisch, dann ganz begeistert. Frauen seien meist noch skeptischer, und vor allem feilschen sie härter und emotionaler als ihre männlichen Kunden. Doch jede neue Fahrt, mal anstrengend, mal entspannt, schafft neue Erfahrungswerte, Jackline ist längst ein Profi. Nur an eines wird sie sich wohl nie gewöhnen – ihre schlimmsten Kunden: „Ich wünsche mir jeden Tag aufs Neue, keinen Betrunkenen fahren zu müssen“, sagt sie. „Die fährst Du vor die Haustür und dann erklären sie dir, dass sie gar kein Geld haben. Das ist mir jetzt schon mehrfach passiert.“

Jacklines nächstes Ziel hat doppelt so viele Reifen wie ihr Motorrad: ein eigenes Taxi. Vier Passagiere statt nur einem einzigen, höhere Gewinne, mehr Fahrkomfort und -sicherheit. Doch es gibt einen Haken. Jackline hat keinen Führerschein. Nicht fürs Auto und auch nicht fürs Motorrad. Die nötigen 150 Euro für Fahrstunden und -prüfung kann sie im Moment nicht locker machen, ihren Job betreibt sie demnach illegal. „Deshalb fahre ich ausschließlich in den Außenbezirken von Arusha, wo die Polizei nicht kontrolliert“, erklärt sie ein wenig verschüchtert.

Nicht mehr lange, und sie werde den Führerschein machen, versichert sie. Reine, teure Formsache sei das eben. Dann könnte sie endlich sorgenfrei nach Arusha fahren, um dort auf Kundenfang zu gehen. Denn bislang nimmt sie im Stadtzentrum noch immer die Rolle der Mitfahrerin ein. „Beim Fahrstil mancher männlicher Kollegen wird mir dabei regelmäßig Angst und Bange. Da bin ich lieber meine eigene Chauffeurin“, grinst sie.


12. Februar 2016

 


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